Kokovorismus-Anhaenger

Der Kokovorismus – Unsterblichkeit durch Kokosnusskonsum!?

Kokovo-WAS? Wir geben zu, über den Kokovorismus hatten wir bislang auch noch nichts gehört. Dabei ist die Geschichte dahinter wirklich sehr interessant. Und diese wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten!

Der Kokovorismus ist ganz klar mit einem Namen verbunden: dem selbsternannte „Kokos-Apostel“  August Karl Engelhardt (rechts auf dem obigen Foto). Er wurde 1875 in Nürnberg geboren und absolvierte in seinen jungen Jahren eine Apothekerhelferlehre. Rasch entwickelte er Interesse an einer naturverbundenen Lebensführung, wie sie von der damaligen Lebensreformbewegung angepriesen wurde.

Engelhardt machte sich im Jahr 1902 auf den Weg nach Papua-Neuguinea, das damals Kolonialgebiet des Deutschen Reiches war. Dort kaufte er mit Geld aus einer Erbschaft auf der winzigen Insel Kabakon eine bestehende Kokosplantage und gründete eine religiöse Gemeinschaft (heute würde man wahrscheinlich „Sekte“ sagen) mit dem Namen „Sonnenorden – Aequatoriale Siedlungsgemeinschaft“.

Kokovorismus-Engelhardt
August Engelhardt (stehend) auf seiner Insel Kabakon zusammen mit einem der ersten Ankömmlinge im Jahre 1906. Foto: dpa.

Engelhardt entwickelte darin den Kokovorismus als eine spezielle Ernährungsweise, in deren Zentrum der ausschließliche Verzehr von Kokosnüssen stand. Nach Engelhardt ist der Mensch ein „Fruchtesser“, genauer gesagt aber kein „Universalfruchtesser“, sondern ein „Nussesser“, sogar ganz speziell „ein Kokosnussesser – ein Kokovore“. Denn: Von allen Pflanzen wachse die Kokosnuss der Sonne am nächsten und sei deshalb besonders mit nahrhafter Sonnenenergie aufgeladen.

Unten links: Die etwa einen Kilometer lange und 700 Meter breite Insel Kabakon, die heute unbewohnt ist und zur Inselgruppe Duke-of-York in Papua-Neuguinea gehört (Foto: NASA, Public Domain).

Engelhardt glaubte fest daran, dass, wenn sich der Mensch wieder in den Tropen ansiedele und ausschließlich von Kokosnüssen ernähren würde, er eine metaphysische Statusänderung herbeiführen könne. Diese würde den Menschen wieder mit Gott (für Engelhardt war dies die Sonne) vereinen. Man würde also gleichsam unsterblich und göttlich werden. Wenn man als Mensch hingegen von dieser von der Natur zugedachten Rolle abfiele, würde sich die Natur mit Krankheiten rächen.

In Deutschland warben der „Kokos-Apostel“ und der Sonnenorden mit Prospekten für die Kokosdiät:

„Nackter Kokovorismus ist Gottes Wille. Die reine Kokosdiät macht unsterblich und vereinigt mit Gott.“

Es gab sogar eine eigene Zeitschrift des Ordens mit dem Namen „Für Sonne, Tropen und Kokosnuß“. In dieser wurden Fragebögen für „Kokos-Versuche“ zur Verfügung gestellt, die den Leser dazu animieren sollten, die kokovorische Ernährung auszuprobieren und dem Herausgeber von den Ergebnissen und jeweiligen Erfahrungen zu berichten.

Kokovorismus-Grusskarte
Postkarte zur Bewerbung eines Besuchs der Insel Kabakon.

Einige Zivilisationsflüchtlinge aus der alten Heimat folgten den Aufrufen sogar so weit, dass die sich auf den Weg machten nach Kabakon. In besten Zeiten soll der Orden bis zu 30 Mitglieder auf der Insel gezählt haben. Viele Kokos-Gläubige, die dem Ruf Engelhardts gefolgt waren, erkrankten oder verstarben jedoch schon bald nach ihrer Ankunft auf der Insel, sei es durch Mangelernährung oder durch andere Krankheiten. Einige kehrten entmutigt in ihre Heimat zurück. Die letzten Sonnenanbeter verließen nach dem Ersten Weltkrieg die Insel.

In seinen letzten Jahren verkam der abgemagerte Kokos-Apostel zu einer schaurigen Touristenattraktion. Der aufkommende Kreuzfahrt-Tourismus brachte regelmäßig ein paar Besucher auf die Insel und Engelhardt gab Autogramme und posierte für Fotos. Selbst der berühmte Maler Emil Nolde schildert eine Begegnung auf Kabakon.

August Engelhardt stirbt im Mai 1919 im Alter von 43 Jahren auf Kabakon,  höchstwahrscheinlich an Malaria.

Fazit:

Die Geschichte vom Kokovorismus und von August Engelhardt ist in die aufkommenden Ideen der Lebensreformer im ausgehenden 19. Jahrhundert einzuordnen. Diese Bewegung forderte vor dem Hintergrund der negativen Auswirkungen von Industrialisierung, Technisierung und Urbanisierung eine stärkere Hinwendung zur Natur und ein Leben im Einklang mit dieser.

Eine asketische Lebensweise, Vegetarismus und auch der Nudismus waren in den lebensreformerischen Kreisen damals sehr verbreitet. Allerdings war wohl bereits manchem Zeitgenossen die Absurdität der religiösen Verehrung von Kokosnüssen bewusst und Engelhardt galt schon zu Lebzeiten für manche als exotische „Witzfigur“. Witzig war die Pseudowissenschaft des Kokovorismus allerdings nur bedingt. Schließlich hat diese zahlreiche Menschenleben gefordert – nicht zuletzt das des sogenannten Kokos-Apostels selbst.

Weiterführende Links und Quellen:

Viele Hintergrundinformationen findet ihr im lesenswerten Artikel von Sebastian Huncke im Diskurs-Magazin (Jahrgang 7, Ausgabe 1–2011). Es gibt auch einen Vortrag von dem Autor im Rahmen des „Science Slams“ aus dem Jahr 2010 (YouTube, Länge ca. 10 Minuten).

Wer lieber zuhört statt Artikel liest, findet bei dem empfehlenswerten Podcast „Geschichten aus der Geschichte.FM“ einen Beitrag zu dem Thema.

Wer noch tiefer eintauchen möchte, kann auch den 2012 erschienenen, in zahlreiche Sprachen übersetzten und mit verschiedenen Preisen ausgezeichneten Roman „Imperium“ des Schweizer Schriftstellers Christian Kracht lesen. In dem Buch wird die Geschichte des Aussteigers August Engelhardt nochmal lebendig erzählt. Und auch Theater-Adaptionen des Buches gibt es mit einer ordentlichen Portion Kokosnüssen auf der Bühne :-).

Vielen Dank an Hannes W. und Holger H., die uns auf die Geschichte des Kokovorismus hingewiesen haben!
Titelfoto: Mission Eine Welt Neuendettelsau
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